Freitag, 19. Januar 2018

Das schöne Händchen, die erste

von Sophie Lange
„Gib der Tante Liesel brav ein Händchen!“ So wurden wir als Kinder aufgefordert, Besucher zu begrüßen. Doch manchmal wollten wir nicht „brav“ sein und versteckten die Hände trotzig hinter den Rücken. Ein strenger Blick der Mutter ließ uns schließlich doch gehorchen. Aber wehe, wenn wir das falsche Händchen vorstreckten. Dann ermahnte die Mutter energisch: „Das schöne Händchen!“ Das schöne Händchen, das ist die rechte Hand.  Dabei ist diese nicht schöner als die linke.

Damals wusste ich noch nicht, dass die rechte Hand bei unsern Ur-ur-ur-(x100) - Ahnen die Kampfhand war. Zeigte man diese offen oder winkte damit, signalisierte man einem Fremden, dass man unbewaffnet war und keinerlei kämpferische Absichten hatte. So geben wir bis heute friedlich die rechte Hand zur Begrüßung und zum Abschied, ausgenommen die Linkshänder und seltsamerweise die Pfadfinder, die sich als Geheimzeichen die Linke reichen. „Die Linke kommt von Herzen“, argumentieren sie. Übrigens soll man auch auf dem stillen Örtchen die Linke benutzen. Diese kommt aber nicht von Herzen.

„Hast du deine Aufgaben gemacht?“ fragt die Mutter ihren Sprössling. „Ja“
„Wirklich?“
„Ich schwöre!“

Kinder und Jugendliche von heute schwören bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. So hebt auch der Sprössling sein schönes Händchen mit den drei ersten gestreckten Finger in die Höhe und beteuert nochmals: „Ich schwöre!“ Dabei nimmt er heimlich seinen linken Arm hinter den Rücken, kreuzt den Zeige- und Mittelfinger des ungezogenen Händchen und schon ist der Schwur aufgehoben. Das gilt allerdings nur im Volksglauben. Welche Hand hat nun mehr Macht? Die Mutter misstraut beiden, dem Schwur und dem Hexenschwur. So nimmt sie das Englischbuch aus dem Tornister. Vokabeln abfragen. „Eben konnte ich sie noch“, beteuert der Sohnemann jammernd. „Ich schwöre.“ Schnell zwei gekreuzte Finger hinter den Rücken. Aber das hilft nun auch nicht mehr.

Mit ausgestreckter Hand tappt Herr L. auf Mariechen, seine alte Bekannte, zu.“Guten Tag, meine Liebe!“ Diese möchte am liebsten wie in Kindertagen die Hände hinter den Rücken verstecken, denn der Herr im hohen Mannesalter hat wie allgemein bekannt einen Handdruck, der in die Knie zwingt. Schraubstockgriff! Hinter einem festen Handdruck vermutet man einen selbstbewussten, willensstarken, kompetenten Mann. Aber der Druck sollte doch erträglich sein. Mariechen reicht zögernd ihre Hand. Da muss sie jetzt durch, ein braves Mädchen von Kindheit an.

Unsere frühere Lehrerin, Fräulein Schmitz, (so ließ sie sich bis zum Lebensende nennen), hatte einen laschen Händedruck, nicht mehr wie ein sanfter Windhauch. Dieser zeugt von Minderwertigkeitsgefühlen sowie unentschlossener Schüchternheit. Sagt man zumindest; bei Fräulein Schmitz war das aber nicht der Fall. Sie war sehr selbstbewusst und konnte sich gegen die dominierende Männerwelt durchsetzen.

Wie der zu starke Power-Handgriff wird auch der sanfte Windhauch-Handgriff vom Empfänger als unangenehm empfunden. Der ideale Handshake liegt – wie bei allen Dingen im Leben - in der goldenen Mitte.

Bummelt man über einen Viehmarkt, so hört man oftmals einen klatschenden Handschlag. Bis heute kann ein solcher Handschlag wie von altersher üblich einen Vertragsabschluss besiegeln, so zum Beispiel beim Pferdekauf. Das ist durchaus rechtens. Gekauft wie gesehen, aber besser doch das Pferdegebiss prüfen.

Beim Militär salutiert man zackig, indem man mit drei Fingern der rechten Hand an die Kopfbedeckung oder die Stirn tippt. Beim Karneval ist es genau umgekehrt. Da  tippen die Finger der linken Hand rechts an die Narrenkappe. Die Linke tritt also in Aktion  -oder sollte es wenigstens –, wie sich aus der historischen Entwicklung des Karnevals ergibt. Doch da halten sich nur wenige dran. Na ja, in der fünften Jahreszeit gilt ja das Motto: Jeder Jeck ist anders. Nicht nur am närrischen Rhein, sondern auch in der jecken Eifel.

Das Hände-geben ist recht ungesund. Hat man gerade gehustet, sich dabei brav das schöne Händchen vor den Mund gehalten, und gibt dann diese Hand dem anderen, so teilt man mit ihm brüderlich die Bazillen. Aber man bekommt dafür auch ein paar Krankheitserreger von dem anderen. Ein sekundenlanges Händeschütteln kann den Bazillentausch noch intensivieren.

Im Alltag wird der Handshake immer mehr durch andere Begrüßungsrituale ersetzt:  Abklatschen, Ghettofaust, Wangenkuss, Umarmung.

Fortsetzung folgt

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