Also alles wieder auf Anfang.
So will Gertrud heute in die
Stadt fahren und die notwendigen Weihnachtsbesorgungen machen. Doch zunächst
gönnt sie sich bei Kerzenlicht am Adventskranz ein ausgiebiges Frühstück.
Soviel Zeit muss sein. Und dann Auto raus und ab in die Stadt.
Gertrud streift durch die Geschäfte,
schaut hier, prüft dort, kauft eine Kleinigkeit. In einer Boutique staunt sie
über das riesige Angebot an künstlichen Kerzen, batteriebetrieben mit
beweglicher Flamme – ohne Flamme; mit Fernbedienung, mit Timer, in allen Farben
und Schattierungen: feuerrot, aquamarin, zartrosa, altlila, kleinkariert;
dekoriert mit Engel, Sternen, Tannen, Rentieren, Weihnachtsmännern. Nein, das
ist nichts für Gertrud. Sie liebt das Natürliche. Nur echte Kerzen schaffen
eine besinnliche Atmosphäre, strahlen diese mystische Magie aus, diese
winterliche Ruhe, diese weihnachtliche Feststimmung. Man muss natürlich die
„echten“ Flammen im Auge behalten.
Gertrud bleibt ruckartig
stehen, als ob sie gegen eine Glaswand gelaufen wäre, Flammen! Hat sie die
Kerzen am Frühstückstisch ausgeblasen? Nein! Ja! Nein! Doch! Nein, nein, nein!
Sie weiß es nicht. Ihr wird siedeheiß. Blitzschnell stürzt sie aus dem Lädchen.
Die Gedanken jagen durch ihren Kopf. Die Kerzen sind bestimmt schon runter
gebrannt. Der Tannenkranz hat Feuer gefangen. Es knistert, es knarrt, es
knarzt. Funken fliegen, Flammen züngeln. Ogott-ogott.
Sie weiß später nicht mehr,
wie sie zum Parkhaus gekommen ist, wie sie das Auto durch die Stadt gesteuert
hat. Nun jagt sie über Landstraßen. Dörfer tauchen auf und bald entdeckt sie
auch ihren Heimatort. Flammen? Feuer? Feuerwehr? Fegefeuer, Hölle? Nein, es
sieht alles ganz friedlich aus. Aber da! Rauchwolken! Das ist doch ihre Straße.
Jetzt drückt sie voll auf die Tube. In Rekordzeit hat sie ihre Straße erreicht,
ihr Haus, die qualmende Säule. Aber -
das ist ja gar nicht ihr Haus. Der Rauch steigt aus dem Garten des Nachbarn,
der mal wieder verbotenerweise stinkenden Abfall verbrennt.
„Müssen Sie immer die Umwelt
verschmutzen!“ Gertrud schreit, panisch und doch erleichtert. „Das ist
rücksichtslos! Das ist unverschämt! Das ist – das ist -
kriminell!“ Ihre Stimme bricht.
Der Nachbar schaut sie
verblüfft an. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragt er seelenruhig. Gertrud
antwortet nicht. Sie stürzt ins Haus, stolpert in die Küche, steht vor dem
Esstisch. Die Kerzen sind aus – natürlich. Unbewusst, automatisch ausgepustet.
Sie lässt sich auf einen Stuhl fallen. Sie ist fix und fertig. Sie braucht
einen Kaffee.
Erst allmählich wird ihr
klar, dass sie von ihren Besorgungen nichts erledigt hat. Also morgen nochmals
alles auf Anfang. Sie will sich aber besser vorbereiten, will einen
ausführlichen Einkaufszettel und einen exakten Laufzettel schreiben. Sie nimmt
einen Zettel, notiert: K-Kerzen, Batterien.
Dann eine besinnliche Vorweihnachtszeit
- ohne Stress!
Das wünscht uns Sophie Lange
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