Donnerstag, 14. Dezember 2017

Weihnachtsstress



Weihnachtsstress! Alle Jahre wieder. Aber in diesem Jahr nicht! Das hat Gertrud sich zumindest fest vorgenommen. So hat sie bereits im Oktober  reichlich eingekauft: Lebkuchen, Printen, Spekulatius, Spritzgebäck, denn seit Mitte Herbst träumen in den Regalen der Supermärkte bereits  Weihnachtsprodukte vom Lichterfest. Aber seltsam. Zu Hause verschwinden die Vorräte auf geheimnisvolle Weise. Wenn das so weiter geht, bleiben bei der Bescherung die „bunten Teller“ leer. Also heißt es, für Nachschub sorgen. Auch Geschenke hat Gertrud schon frühzeitig besorgt. Doch inzwischen äußern die Lieben ganz andere Wünsche.
Also alles wieder auf Anfang.

So will Gertrud heute in die Stadt fahren und die notwendigen Weihnachtsbesorgungen machen. Doch zunächst gönnt sie sich bei Kerzenlicht am Adventskranz ein ausgiebiges Frühstück. Soviel Zeit muss sein. Und dann Auto raus und ab in die Stadt.

Gertrud streift durch die Geschäfte, schaut hier, prüft dort, kauft eine Kleinigkeit. In einer Boutique staunt sie über das riesige Angebot an künstlichen Kerzen, batteriebetrieben mit beweglicher Flamme – ohne Flamme; mit Fernbedienung, mit Timer, in allen Farben und Schattierungen: feuerrot, aquamarin, zartrosa, altlila, kleinkariert; dekoriert mit Engel, Sternen, Tannen, Rentieren, Weihnachtsmännern. Nein, das ist nichts für Gertrud. Sie liebt das Natürliche. Nur echte Kerzen schaffen eine besinnliche Atmosphäre, strahlen diese mystische Magie aus, diese winterliche Ruhe, diese weihnachtliche Feststimmung. Man muss natürlich die „echten“ Flammen im Auge behalten.

Gertrud bleibt ruckartig stehen, als ob sie gegen eine Glaswand gelaufen wäre, Flammen! Hat sie die Kerzen am Frühstückstisch ausgeblasen? Nein! Ja! Nein! Doch! Nein, nein, nein! Sie weiß es nicht. Ihr wird siedeheiß. Blitzschnell stürzt sie aus dem Lädchen. Die Gedanken jagen durch ihren Kopf. Die Kerzen sind bestimmt schon runter gebrannt. Der Tannenkranz hat Feuer gefangen. Es knistert, es knarrt, es knarzt. Funken fliegen, Flammen züngeln. Ogott-ogott.

Sie weiß später nicht mehr, wie sie zum Parkhaus gekommen ist, wie sie das Auto durch die Stadt gesteuert hat. Nun jagt sie über Landstraßen. Dörfer tauchen auf und bald entdeckt sie auch ihren Heimatort. Flammen? Feuer? Feuerwehr? Fegefeuer, Hölle? Nein, es sieht alles ganz friedlich aus. Aber da! Rauchwolken! Das ist doch ihre Straße. Jetzt drückt sie voll auf die Tube. In Rekordzeit hat sie ihre Straße erreicht, ihr Haus, die qualmende Säule. Aber  - das ist ja gar nicht ihr Haus. Der Rauch steigt aus dem Garten des Nachbarn, der mal wieder verbotenerweise stinkenden Abfall verbrennt.

„Müssen Sie immer die Umwelt verschmutzen!“ Gertrud schreit, panisch und doch erleichtert. „Das ist rücksichtslos! Das ist unverschämt! Das ist – das ist  -  kriminell!“ Ihre Stimme bricht.
Der Nachbar schaut sie verblüfft an. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragt er seelenruhig. Gertrud antwortet nicht. Sie stürzt ins Haus, stolpert in die Küche, steht vor dem Esstisch. Die Kerzen sind aus – natürlich. Unbewusst, automatisch ausgepustet. Sie lässt sich auf einen Stuhl fallen. Sie ist fix und fertig. Sie braucht einen Kaffee.

Erst allmählich wird ihr klar, dass sie von ihren Besorgungen nichts erledigt hat. Also morgen nochmals alles auf Anfang. Sie will sich aber besser vorbereiten, will einen ausführlichen Einkaufszettel und einen exakten Laufzettel schreiben. Sie nimmt einen Zettel, notiert: K-Kerzen, Batterien.

Dann eine besinnliche Vorweihnachtszeit - ohne Stress!

Das wünscht uns Sophie Lange






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